Veränderungen

Kürzlich habe ich den Namen meiner Facebookseite von „Katharina Burkhardt – Coaching & Kreatives Texten“ in „Katharina Burkhardt – Autorin“ geändert. Eine kleine Aktion mit großer Wirkung. Jedenfalls in meinem Inneren. Nach außen ist das, glaube ich, gar nicht weiter aufgefallen. Die Seite hat ohnehin kaum Fans und dümpelt so leise vor sich hin wie dieses Blog, das ich auch viel zu sehr vernachlässige.

Der Weg zu dieser kleinen Änderung war jedoch lang, sehr lang genau genommen. Ich weiß gar nicht mehr, wann er begann. Damals, als ich anfing, Gedichte zu schreiben, schwülstig und trübsinnig, Ausdruck einer pubertären Verzweiflung? Oder doch schon viel eher, in der Grundschule, als ich unlinierte Schreibhefte außen mit weißem Papier beklebte, darauf mit Filzstift Titel schrieb wie „Martine wird wieder klug“ und darunter bunte Bilder malte? Die Hefte füllte ich dann in ungelenker Schreibschrift mit abenteuerlichen Geschichten, die mal ein Abklatsch von Hanni und Nanni waren, mal Ponyhofgeschichten und mal etwas völlig anderes. Doch was so vielversprechend begann, versickerte dann erst mal in besagtem pubertären Trübsinn und erstarb schließlich völlig.

Erst mit Anfang dreißig begann ich ernsthaft zu schreiben. Ich bloggte regelmäßig über mein Leben und die Liebe und kam dadurch so gut in Schreibfluss, dass schließlich mein erster Roman entstand. Er wurde nie veröffentlicht, und ich bin dafür heute sehr dankbar. Aber er war mein Gesellenstück. Ich habe alles falsch gemacht, was man falsch machen kann, und gleichzeitig ganz viel richtig. Das Wichtigste: Ich hielt bis zum Schluss durch. Von da an wusste ich, dass ich in der Lage bin, Bücher zu schreiben.

Es folgten Ausflüge in die unterschiedlichsten Genres, sprachliche und literarische Experimente, von denen manche Erfolg hatten, andere hingegen nicht. Das hing nie mit der Qualität der Texte zusammen, sondern eher damit, was markttauglich war. Unterm Strich habe ich im vergangenen Jahr viel richtig gemacht, denn meine Einnahmen aus Buchverkäufen wuchsen stetig. Und zwar so stetig, dass ich irgendwann an einem Scheideweg stand.

Eins meiner Hauptprobleme war nämlich schon in den ganzen letzten Jahren meine Unfähigkeit, mich zu fokussieren. Wenn ich lektoriere, kann ich nebenher nicht eine Zeile schreiben. Wenn ich Trainings vorbereite, auch nicht. Mein Kopf ist dann einfach so voll mit all den anderen Themen, dass kein Platz mehr für meine Geschichten ist. Folglich kam ich nur im Schneckentempo voran. Und so ging ich in diesem Sommer einen mutigen Schritt. Ich sagte Aufträge ab, um Zeit zum Schreiben zu haben. Immer mit Bauchweh, immer mit der Angst im Nacken, dass ich vielleicht eine fürchterliche Bauchlandung erleide. Dass sich der Buchmarkt so sehr verändert, dass niemand mehr meine Bücher haben will. Oder dass meine Muse mich verlässt und ich unter dem Druck des Erfolgs nicht schreiben kann. Oder, oder …

Aber ich bin trotzdem weitergegangen und habe mir Zeit freigeschaufelt, um Bücher zu schreiben. Den ganzen langen Winter über werde ich nichts anderes tun. Damit bin ich hauptberuflich Autorin. Oder sollte ich besser Schriftstellerin sagen? Ich weiß gar nicht, was passender klingt. Ich weiß nur, dass ich mir damit einen Lebenstraum erfüllt habe. Und ich wünsche mir im Moment nichts mehr, als dass er noch sehr lange anhält und ich den Namen meiner Facebookseite nie mehr ändern muss.

Freigeschrieben

Für meinen ersten Roman brauchte ich drei Jahre. Ich hatte einen Vollzeitjob und schrieb immer nur dann, wenn ich gerade Zeit und Lust hatte – meistens am Wochenende oder im Urlaub. Das dauerte. Dazu kam noch, dass ich gewaltige Ansprüche an mich hatte. Dieses Buch musste perfekt werden – inhaltlich und formal. Ich feilte stundenlang an einzelnen Sätzen, im Hinterkopf sämtliche Schreibratgeber dieser Welt, vor mir sämtliche preisgekrönten Bestseller dieser Welt. Da wollte ich auch hin.

Nun ja. Immerhin schaffte es ein Kapitel aus diesem Roman in eine Anthologie, was mir wiederum die Teilnahme an einer Lesung im Hamburger Literaturhaus bescherte. Der Roman als Gesamtwerk wurde nie veröffentlicht, und wenn ich ihn heute lese, dann schüttele ich den Kopf. Mag sein, dass dieser Text recht literarisch ist und mir einige schöne Szenen gelungen sind. Geld verdienen ließe sich damit allerdings nicht.

Heute schreibe ich einen Roman schon mal in drei Monaten fertig. Dass ich so schnell geworden bin, hat zwei Gründe. Zum einen habe ich mich freigeschrieben. Ich will nicht mehr den großen literarischen Wurf landen, der mit Preisen überhäuft wird und mich in den Schriftstellerolymp aufsteigen lässt. Dazu bin ich nicht gut genug. Das weiß ich heute, aber es bedrückt mich nicht. Vielmehr war es eine große Befreiung, zu erkennen, dass ich so schreiben muss, wie ich es kann und will, und nicht so, wie es mir irgendwelche Literaturexperten vorschreiben. Je trivialer meine Geschichten werden, je mehr Schund ich nach literarischen Maßstäben produziere, desto befreiter fühle ich mich. Ich liebe diese Anarchie, die sich in meinem Kopf einstellt, wenn ich mir hemmungslos den größten Unsinn ausdenke und ihn in schmalztriefende, adjektivschwangere Formulierungen verpacke. Herrlich! Alles, was offiziell tabu ist, nutze ich hemmungslos, um meine Geschichten unterhaltsam zu machen und die Leser zu berühren. Denn das ist es, was für mich zählt: Begeisterte Leser, die meine Geschichten gerne kaufen.

Und damit komme ich zum zweiten Punkt: Seit ich nicht mehr so literarisch schreibe, verdiene ich Geld mit meinen Büchern. Das hat natürlich damit zu tun, dass ich im Selfpublishing die Chance habe, verlagsunabhängig zu veröffentlichen. Und das hat wiederum den Vorteil, mich noch mehr zu befreien, in noch weniger Kästchen einordnen zu lassen. Ich schreibe, was mir und den Lesern gefällt – unabhängig von Genres und dem aktuellen Mainstream. Und nun bin ich zum ersten Mal in meinem Leben an dem wunderbaren Punkt angelangt, an dem ich vom Schreiben leben kann. In diesem Jahr stammten bislang 80 Prozent meiner Einnahmen aus Buchveröffentlichungen. Natürlich weiß ich nicht, ob das so weitergeht. Vielleicht wird nächstes Jahr alles anders und die Zahlen brechen wieder ein. Aber darüber mache ich mir nicht den Kopf. Im Moment genieße ich den unglaublichen Luxus, den ganzen Tag nichts anderes machen zu dürfen, als mir Geschichten auszudenken. Was für ein Geschenk!