Lammspieße auf Couscous – 11

Teil 1
„Was ist das?“, fragte Axel Klinger mit zittriger Stimme.
„Ach, das ist bloß diese alberne magische Masche, für die sich kein Mensch mehr interessiert“, sagte Rosi.
Axel Klinger starrte sie mit seinem rechten Auge an, während das linke vergnügt auf und ab hüpfte.
„Wovon reden Sie?“
„Darf ich vorstellen?“, half ich ihm auf die Sprünge. „Rosi Löwenherz und Katja Sommerland. Sie fanden unser magisches Kochbuch so albern, dass Sie es nicht veröffentlichen wollten. Das ist wirklich schade. Sehr, sehr schade.“
Nun dämmerte Axel Klinger, was los war:
„Sie haben mich vergiftet!“, schrie er. „Sie sind ja zwei ganz gemeingefährliche, durchgeknallte Weiber!“
„Vergiftet? Aber nein“, beruhigte Rosi ihn. „Wir haben Sie nur ein wenig geärgert. So, wie Sie uns geärgert haben. Das vergeht alles wieder.“
Axel Klinger war außer sich.
„Sie … Sie Hexen!“, schrie er. „Ich werde Sie anzeigen.“
„Hexen?“ Ich runzelte die Stirn. „Ich dachte, Sie glauben nicht an Magie. Und anzeigen dürfen Sie uns gern. Aber das wird keinen Erfolg haben. In unserem Essen wird man garantiert nichts finden. Schauen Sie doch nur Ihre Kollegen an. Allen geht es gut.“
Mit einem verzweifelten Blick in den Spiegel fragte Axel Klinger:
„Wie lange bleibt das so?“
„So lange, bis wir uns nicht mehr ärgern. Sorgen Sie also dafür, dass wir glücklich werden, dann geht es Ihnen schlagartig besser.“
Axel Klinger krümmte sich zusammen. Seine Bauchkrämpfe mussten wirklich böse sein.
„Das ist Erpressung“, flüsterte er.
„Nein, Magie.“
Ich gebe zu, dass mein Lachen sehr fröhlich war, als Rosi und ich die Herrentoilette von Kampmann & Hoffe verließen. Wie ich schon sagte: Es war ein großartiges Fest.

ENDE

Diese Geschichte stammt aus dem Buch „Moodcooking – Aus dem Suppentopf der Gefühle“

Lammspieße auf Couscous – 10

Teil 1

Wenn Magie im Spiel ist, zeigt sie sich in der Regel sehr schnell. So war es auch an diesem Tag. Während alle Gäste ausgelassen feierten und unsere Lammspieße auf Couscous in den höchsten Tönen lobten, verzog Axel Klinger sich schon bald mit einem gequälten Gesichtsausdruck auf die Toilette. Es dauerte lange, bis er wieder auftauchte. Er war grün im Gesicht und wankte schwer atmend vor die Tür. Ich folge ihm.
„Geht es Ihnen nicht gut?“, fragte ich mit gespielter Anteilnahme. Axel Klinger schüttelte den Kopf.
„Irgendwas ist mir nicht bekommen“, stöhnte er. „Vielleicht diese exotischen Gewürze. Kann das sein?“
„Ach, wissen Sie“, entgegnete ich leichthin. „Sein kann alles Mögliche. Die einen Menschen lieben orientalisches Essen, die anderen reagieren hochgradig allergisch darauf. Und wieder andere werden bloß Opfer einer magischen Masche.“
Bevor ich weiter ausholen konnte, trat Rosi zu uns:
„Diese Warzen da in Ihrem Gesicht sehen aber ziemlich eklig aus. Die hatten Sie doch vorhin noch nicht“, stellte sie fest.
„Warzen?“, keuchte Axel Klinger. „Was denn für Warzen?“ Er hob eine Hand zum Gesicht und fuhr entsetzt zurück. Seine Gesichtsfarbe wechselte von Grün zu Weiß, bevor er wieder in Richtung der Toiletten stürzte.
Wir folgten ihm. Fasziniert betrachtete ich sein entstelltes Gesicht. Besonders angetan war ich von seinem linken Auge, dessen Augapfel sich irgendwie selbstständig gemacht hatte und wild herumkreiste. Manchmal ist selbst mir die Macht der Magie unheimlich.

Teil 11

Lammspieße auf Couscous – 9

Teil 1

Es wurde ein großartiges Fest. Unser Essen versetzte die Gäste in eine fröhliche, ausgelassene Stimmung. Alle waren begeistert und lobten unsere Kochkünste.
Rosi schaute sich verstohlen nach Axel Klinger um.
„Es ist der Typ da drüben mit den schwarzen Haaren“, raunte sie mir zu.
Axel Klinger löste sich gerade aus einer Gruppe von Leuten und strebte dem Buffet zu. Der Augenblick war günstig. Ich griff nach meiner Platte, auf der sich zufällig nur noch ein einziger Lammspieß auf Couscous befand, und schnitt Axel Klinger den Weg ab. Er fing meinen Blick auf und strahlte mich eine Spur zu übertrieben an. Was für ein aufgeblasener Kerl! Ich straffte meine Schultern und strahlte zurück. Dieser Mann würde mir nicht widerstehen können. Und meinem Lammspieß auch nicht.

Fortsetzung folgt …

Lammspieße auf Couscous – 8

Teil 1

Am nächsten Tag erhielten wir einen Anruf aus dem Hause Kampmann & Hoffe. Ob wir das Catering für das Firmenjubiläum ausrichten könnten? Wenn das kein Zufall war! Natürlich konnten wir das Catering ausrichten. Und wie wir das konnten!
Das Motto „1001 Nacht“ war zwar nicht wahnsinnig originell – hatte sich das etwa der ach so geniale Vermarktungsexperte Axel Klinger ausgedacht? Allerdings liebten Rosi und ich die orientalische Küche und machten uns daher mit Hingabe an die Planung. Wir frittierten Kichererbsenbällchen, schmorten Hähnchenflügel mit Knoblauch und Kreuzkümmel und kochten Couscous in Hühnerbrühe und Orangensaft. Unsere zahlreichen Helfer waren stundenlang damit beschäftigt, Berge von Petersilie und Tomaten für die Tabule klein zu schneiden und Weinblätter mit Hackfleisch und Reis zu füllen.
Ich schnitt Lammfleisch in kleine Würfel, die ich abwechselnd mit Datteln und Zwiebelstücken auf Holzspieße steckte und mit einer Marinade aus Olivenöl, Honig, Salz und Zimt beträufelte.
„Brechdurchfall“, murmelte Rosi immer wieder, während sie eine andere Marinade herstellte. „Brechdurchfall und Warzen im Gesicht.“
„Und schielende Augen“, sagte ich mit fester Stimme und starrte wütend in Rosis grünlich schimmernde Ölmischung.
In dieser Marinade ließen wir nur einen einzigen Lammspieß zwei Stunden lang im Kühlschrank ziehen, bevor wir ihn brieten.

Teil 9

Lammspieße auf Couscous – 7

Teil 1

An jenem Abend stand ich müde und traurig in unserer Küche und sah mich um. Es war doch alles immer so gut gelaufen. Rosi und ich hatten so viel Glück in unserem Leben gehabt. Ich hatte eine wunderbare Tochter, und Rosi hatte einen niedlichen Hund. Gemeinsam hatten wir ein kleines Unternehmen, das großartig lief. Das konnten wir uns doch unmöglich von so einem blöden Marketingfuzzi kaputt machen lassen.
Seufzend nahm ich aus einer Plastikdose ein übrig gebliebenes argentinisches Rindersteak und erhitzte eine Pfanne, in die ich Butterschmalz gab. Die Pfanne muss sehr heiß sein, wenn man Steaks braten will, das ist wichtig. Ich spürte, wie die Hitze in mein Gesicht schlug. Meine Wangen röteten sich, mein ganzer Körper begann zu glühen.
Ich seufzte erneut, als ich das Fleisch in die Pfanne legte. Es zog sich zischend zusammen, und mich erfasste auf einmal eine tiefe Traurigkeit. Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Erfolg stieg mir in die Nase und brannte in meinen Augen. Nach zwei Minuten wendete ich das Steak, und fast gleichzeitig fielen meine ersten Tränen in die Pfanne.
Ich weinte immer noch, als ich längst am Tisch saß und bedächtig das Fleisch auf meinem Teller anschnitt. Es war wunderbar zart und von einem einzigartigen, intensiven Aroma. Ich hatte es nur mit dem Salz meiner Tränen gewürzt. Nachdem ich den letzten Bissen aufgegessen und das letzte Bratenfett mit einem Stück Rosmarinbrot aufgetunkt hatte, fühlte ich mich sehr leicht und lebendig. Ich war mir auf einmal sicher, dass alles gut werden würde.

Teil 8

Lammspieße auf Couscous – 6

Teil 1

Es war nicht gerecht, fand ich. Jedes Mal, wenn ich in eine Buchhandlung ging, sah ich massenweise minderwertige Bücher auf den Verkaufstischen liegen. Bestseller, die entsetzlich trivial geschrieben waren, Geschenkbücher, die aus nichts als einem hübschen Umschlag bestanden, Kochbücher, die zum hundertsten Mal dieselben Gerichte anpriesen. Das kauften die Leute offenbar alles in rauen Mengen. Warum sollten sie nicht auch ein magisches Kochbuch kaufen wollen? Dieser Axel Klinger hatte doch keine Ahnung – weder von Magie noch von guten Büchern.
Rosi tobte. Sie ließ ihre Enttäuschung an unseren Lebensmitteln aus. Sie klopfte die Schnitzel nicht mehr flach, sondern prügelte sie windelweich. Sie schnitt die Möhren nicht mehr klein, sondern zerhackte sie. Kartoffeln zerquetschte sie zu Mus, und den Grillhähnchen machte sie derart Feuer unterm Hintern, dass sich unsere Nachbarn über die Rauchbelästigung beschwerten.
Ich konnte ihre Wut verstehen, war gleichzeitig aber auch entsetzt. Mit ihrem Zorn ruinierte Rosi unser Geschäft. Schon hörten wir die ersten Klagen von Kunden. Sie waren nach dem Genuss unserer Speisen schlecht gelaunt, aggressiv und unzufrieden. Als es auf einer Firmenparty nach dem Verzehr von blutigen Rindersteaks sogar zu einer Schlägerei unter Kollegen kam, wusste ich, dass es so nicht weitergehen konnte.

Fortsetzung folgt …

Lammspieße auf Couscous – 5

Teil 1

Drei Wochen später waren wir schlagartig wieder nüchtern.
„Es tut mir sehr leid, aber ich kann Ihr Buch leider doch nicht in unserem Verlag unterbringen“, schrieb Sonja Blume, die Lektorin von Kampmann & Hoffe. „Unser Marketingleiter hat überraschend ein Veto eingelegt. Er glaubt, das Buch verkaufe sich nicht genug.“
„Warum?“, fragte Rosi fassungslos. „Warum glaubt dieser Idiot, dass sich unser Buch nicht verkauft? Frau Blume findet es toll. Reicht das nicht?“
Ratlos griff ich zum Telefon und rief Sonja Blume an. Sie druckste ein wenig herum, bevor sie mit der Wahrheit herausrückte:
„Nun ja, ehrlich gesagt fand Axel Klinger die Idee mit der Magie ziemlich albern. Seiner Meinung nach hat sich diese magische Masche längst überlebt. Harry Potter, Herr der Ringe, das alles war große Magie. Was jetzt noch kommt, sei angeblich nur noch ein billiger Abklatsch, der nicht mehr genug Umsatz bringe.“
„Magische Masche“, flüsterte ich und legte bestürzt auf.
„Magische Masche“, schnaubte Rosi und schlug mit einer Pfanne auf den Tisch. „Dem werd ich zeigen, was eine magische Masche ist!“

Teil 6

Lammspieße auf Couscous – 4

Teil 1
Unser Buch wurde ein wahrhaft magisches Kochbuch, und so nannten wir es auch: „Das magische Kochbuch – zauberhafte Rezepte von Rosi Löwenherz und Katja Sommerland“.
Als wir fertig waren, schickte ich das Manuskript voller Zuversicht an einen Verlag. Und später an noch einen. Und noch einen. Und noch und noch und noch einen.
Unsere Euphorie wandelte sich in Ratlosigkeit. Warum wollten die Verlage unser Buch nicht haben? Was war daran so verkehrt?
Wir hatten die Hoffnung fast aufgegeben, als wir Post von einer Lektorin aus dem Hause Kampmann & Hoffe erhielten.
„Ihre Idee hat mich begeistert und überzeugt“, schrieb sie. „Wir müssen nun hier im Haus noch einige Details klären, dann melde ich mich wieder bei Ihnen.“
An diesem Abend öffneten Rosi und ich eine Flasche Champagner. Bald würde unser Buch veröffentlicht! Hurra!

Teil 5

Lammspieße auf Couscous – 3

Teil 1

In den nächsten Monaten kramten wir unsere schönsten Rezepte hervor, verbesserten an manchen Stellen noch ein wenig, und dann ging es ans Aufschreiben. Das machte vor allem mir besonders viel Spaß. Nur allzu gern erinnerte ich mich an die vielen Stunden, in denen ich gekocht und gebacken, gebraten, gerührt, geschnitten und geknetet hatte. Und fast noch lieber erinnerte ich mich an die glücklichen Gesichter von Menschen, die ich mit meinem Essen verzaubern konnte.
Zu jedem Rezept schrieben wir eine Geschichte auf, um die Wirkung der einzelnen Zutaten und des fertigen Gerichts anschaulich zu machen. Schmunzelnd dachte ich an die Silberhochzeit, auf der die Jubilarin nach übermäßigem Verzehr von Pflaumenkuchen mit dem besten Freund ihres Mannes durchgebrannt war. So etwas kann passieren, und auch das ist Magie.
Was schauen Sie mich so böse an? Diese Ehe war komplett im Eimer, und der Mann schrieb uns später einen rührenden Dankesbrief, wie froh er über diesen Befreiungsschlag sei, er selbst habe nie den Mut besessen, die Ehe zu beenden. Aber nun wisse er seine Frau gut versorgt durch seinen Freund, während er selbst endlich die Weltreise antreten könne, von der er schon immer geträumt habe. Na bitte!
Anfängern und ängstlichen Naturen empfehle ich dennoch, Pflaumenkuchen wohldosiert anzubieten. „Ab dem fünften Stück garantieren wir für nichts“, schrieb ich in unserem Buch. „Dann könnte die Wirkung umschlagen. Was für zartes Verkuppeln gedacht war, stiftet die Leute plötzlich zu wollüstigen Orgien an. Daher schlagen wir als Hauptgang auch einen Sauerbraten vor. Der sorgt für einen gewissen Stimmungsausgleich.“

Teil 4

Lammspieße auf Couscous – 2

Teil 1

Genau genommen fing alles lange vor dem Firmenjubiläum an. Rosi hatte die Idee mit dem Buch – sie hat ständig so geniale Ideen, und dafür bewundere ich sie, seit wir zusammen eingeschult wurden.
„Wir schreiben ein Kochbuch“, verkündete sie eines Abends, als wir erschöpft, aber glücklich von einer Wohltätigkeitsveranstaltung heimkehrten, auf der für die Modernisierung eines Kinderkrankenhauses gesammelt wurde.
Unsere Spezialität des Tages waren Holundertörtchen. Ein Nachbar hatte uns gestattet, seine Holundersträucher abzuernten, und seine Großzügigkeit klebte an jeder einzelnen Beere, die sich in der Buttercreme befand. Bei jedem Ei, das ich zum Teig gab, dachte ich an meine Tochter Lea, ein gesundes, fröhliches Kind. Ich warf ein wenig Mutterliebe mit in die Rührschüssel, wo sie zwischen den Eigelben zerfloss.
Liebe und Großzügigkeit – die perfekte Mischung.
Und wir hatten durchschlagenden Erfolg damit. Es kamen viel mehr Spendengelder für das Krankenhaus zusammen, als sich der Chefarzt jemals hätte erträumen lassen. Und zur allgemeinen Überraschung erklärte der Oberbürgermeister, bei dem ich dreimal mit meinem Tablett voller Holundertörtchen haltmachte, die Stadt werde ihren Zuschuss zu dem Projekt um eine beträchtliche Summe erhöhen.
„Wir schreiben alles auf“, sagte Rosi nun. „Unsere besten Rezepte, mit allen Tricks und Raffinessen. Dieses Buch werden uns die Leute aus den Händen reißen. Das wird ein Bestseller.“

Teil 3