„Adjektivreich und handlungsschwach“

Kürzlich erschien auf spiegel.de ein Artikel, in dem Geschichten von Selfpublishern pauschal als „adjektivreich und handlungsschwach“ abgewertet wurden. Das führte in der Selfpublisherszene zu viel Schmunzeln, zumal die Autoren, die in dem Artikel namentlich genannt werden, sehr erfolgreich mit ihren „handlungsschwachen“ Geschichten sind. Der Artikel ist ein Beitrag zur Debatte um den Kampf zwischen Amazon und den Verlagen, die ja teilweise höchst unsachlich geführt wird – und die pauschale Diffamierung von Kollegen gehört da offenbar dazu. Das soll aber hier nicht weiter Thema sein.

Mir geht es vielmehr um die Frage nach den Adjektiven. Was ist denn schlimm daran, wenn man die gern verwendet? Das sind doch so schön bunte Wörter: herzzerreißend, betörend, meeresgrün, gewaltig, kugelrund, … Hach, ich könnte noch ewig so weitermachen. Und wird eine Geschichte durch all diese Adjektive nicht erst richtig lebendig?

Passenderweise las ich kurz nach dem Spiegeltext einen sehr empfehlenswerten Artikel in der Federwelt, in dem es um den Gebrauch von Adjektiven geht. Das nahm ich zum Anlass, kritisch zu überprüfen, wie mein eigener Umgang mit diesen Beiwörtern ist.

Gelegentlich braucht es einfach diese üppige, pralle Sprache, um Stimmungen und Gefühle auszudrücken – oder um den Kitsch in einer herzerweichenden Liebesszene so richtig zum Triefen zu bringen. Wir benötigen Adjektive auch, um etwas eindeutig auszudrücken. „Die rothaarige Frau“ beschreibt eine Figur unverwechselbar.

Andererseits vernebeln diese Beiwörter die Sinne und machen einen Text schwülstig und langatmig. Wolf Schneider bezeichnet Adjektive als die am meisten überschätzte Wortgattung. Und er liefert den Beweis gleich dazu:
„Wie heißt das Lied? Am ausgetretenen Brunnen vor dem weinlaubumrankten, halbverfallenen Tore steht ein knorriger Lindenbaum? Nicht ganz. Irgend jemand muss die Adjektive gestrichen haben, und was herauskam, wurde einer der populärsten Texte deutscher Sprache.“
(Aus: Wolf Schneider: Deutsch fürs Leben – Was die Schule zu lehren vergaß, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 17. Auflage 2007, S. 32)

Mein persönliches Fazit: Weniger ist in diesem Fall mehr. Allerdings kommt es auf die Art des Textes an. In einem sachlichen Text solltet Ihr Adjektive sparsam einsetzen, in einer schnulzigen Liebesgeschichte dürfen ruhig mal ein paar mehr vorkommen. Wenn Ihr aber lernen wollt, temporeich und klar zu schreiben, solltet Ihr Euch die Tipps aus der Federwelt zu Herzen nehmen. Es kann nicht schaden, zu Übungszwecken den Tipp von Hans Peter Roentgen aufzugreifen, und mal aus einem Text alle Adjektive zu streichen. Dann wird Euch auffallen, welche ihr wirklich benötigt und wie viele ihr unbedacht und manchmal sogar falsch einsetzt.

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