Seit geraumer Zeit brüte ich über einer neuen Romanidee. Aber ich kam ewig nicht voran. Mein Problem: Ich hatte zu viele Geschichten im Kopf, die ich alle unter einen Hut bringen wollte. Die Anzahl von Personen und Erzählsträngen wurde immer größer und unübersichtlicher. Schließlich hatte ich einen regelrechten Knoten im Gehirn. Eine Million Informationen hatten sich so ineinander verkeilt, dass ich überhaupt nicht mehr durchblickte. Und obwohl ich viele gute Einfälle hatte, schien es, als könnte daraus nie eine brauchbare Geschichte werden. Frustriert schob ich das Projekt immer wieder zur Seite und widmete mich anderen Arbeiten.
Aber dann besann ich mich darauf, was ich im Coaching mache, wenn ein Kunde mit seinen Themen feststeckt: Ich lege mit ihm zusammen die Karten. Ja, ihr habt richtig gelesen. Das ist aber überhaupt nicht spirituell oder esoterisch gemeint. Vielmehr geht es um Moderationskarten, die in verschiedenen Formen und Farben erhältlich sind. Ersatzweise tun es aber auch Karteikarten oder einfaches Papier, das man sich zurechtschneidet.
Diese Karten beschriften wir und breiten sie auf dem Fußboden aus. Von oben hat man einen besseren Überblick und kann sich bei Bedarf auch um die Karten herumbewegen oder sogar darauf stellen. Außerdem hilft Bewegung super, um kreative Prozesse in Gang zu bringen. Da reichen manchmal schon ein paar Schritte durchs Wohnzimmer. Nun schieben wir die Karten hin und her und ordnen sie dem Thema entsprechend einander zu. Es ist erstaunlich, wie schnell man plötzlich erkennt, wo es klemmt und was man tun muss, damit sich alles gut fügt.
So, und genau diese Technik wandte ich nun für meinen Plot an. Zuerst habe ich die Namen aller wichtigen Figuren aufgeschrieben (was hier beispielhaft » 1« heißt, erhielt bei mir einen richtigen Namen). Dann habe ich die Figuren in Beziehung zueinander gesetzt. Auf anderen Karten schrieb ich, soweit schon vorhanden, Themen und Handlungsstränge auf. Nun ordnete ich diese Karten alle den Figuren zu. Wichtig dabei: Je konkreter man wird, desto besser. Wenn man also einen dramatischen Todesfall plant, sollte man das auch schreiben und es nicht bei einem schwammigen »schreckliches Unglück« belassen.
Es war verblüffend. Innerhalb weniger Minuten wurde mir etwas klar, das ich zwar schon die ganze Zeit geahnt, aber bislang nie wirklich beachtet hatte: Im Grunde hatte ich zwei Geschichten miteinander verwoben. Die Figuren A-D bilden eine Geschichte, die Figuren 1-3 eine andere. Ich hatte krampfhaft versucht, all diese Figuren unter einen Hut zu bringen. Was für ein Unsinn das war, wurde mir erst beim Anordnen der Karten bewusst.
- Viele Figuren und Handlungsstränge – sehr unübersichtlich
- Klare Aufteilung: Links wird eine Geschichte erzählt, rechts eine ganz andere
Anschließend ging vieles fast von selbst. Handlungsabläufe, Krisen, Entwicklungen – alles war auf einmal da. Da ich die Hälfte der Informationen, die mein Gehirn verstopft hatten, zur Seite schieben konnte, hatte ich auf einmal viel Raum zum Nachdenken. Und schon sah alles erheblich übersichtlicher aus. Plötzlich sprudelten die Ideen nur so aus mir heraus und innerhalb einer halben Stunde hatte ich einen groben Rahmen für den Plot abgesteckt.
Und nun schaffte ich es endlich auch, klare Entscheidungen zu treffen und fand sogar Wege, wie ich beide Geschichten an einigen losen Enden miteinander verknüpfen kann. Ob das wirklich klug und sinnvoll ist, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Aber erst mal lasse ich diese abenteuerlichen Ideen zu, um meine Kreativität weiter anzukurbeln. Bei solchen kreativen Prozessen ist es wichtig, sich nicht selbst zu zensieren. Aussortieren kann man später immer noch in aller Ruhe.
Probiert es doch selbst mal aus. Die Arbeit mit Moderationskarten eignet sich besonders
- beim Entwickeln von Geschichten
- beim Strukturieren einer Romanhandlung
- um Beziehungen zwischen Figuren zu verdeutlichen
- beim Entwickeln einzelner Szenen
- um Spannungsbögen herauszuarbeiten
Wie Ihr die Karten anordnet, bleibt Euch überlassen, da gibt es überhaupt keine Regeln. Hilfreich ist es allerdings, bestimmte Themen in Form und/oder Farbe einheitlich zu halten. Ich habe zum Beispiel für alle weiblichen Figuren runde rote Karten gewählt und für alle männlichen runde gelbe. Das half mir, den Überblick zu behalten und bestimmte Konstellationen sehr schnell zu erkennen.
Und noch ein Tipp: Macht von Eurem Kartenbild in den unterschiedlichsten Phasen Fotos, damit Ihr auch Zwischenschritte dokumentiert. Manchmal stellt sich im Nachhinein nämlich heraus, dass eine zwischenzeitliche Idee sinnvoller war als das vermeintliche Endergebnis.