Fast eine Liebesgeschichte – Teil 28

Teil 1 der Fortsetzungsgeschichte

Paul gähnte innerlich und verstaute Visitenkarten in seiner Brieftasche. Die meisten würde er nie wieder angucken. Er wusste wirklich nicht, warum er immer noch zu diesen Netzwerktreffen ging, das brachte doch alles nichts.
Da sah er sie. Klein, rundlich, mit lockigen kurzen Haaren. Anna Winterberg. Er hatte seit über einem Jahr nichts von ihr gehört. Sie war ihm nie aus dem Sinn gegangen, aber er hatte es nicht gewagt, den Kontakt wieder aufzunehmen. Jetzt, als er sie da stehen sah, erfasste ihn eine Aufregung, eine Freude, die er lange nicht verspürt hatte.
Er machte einen Schritt auf sie zu. Doch da sah er, wie sich ein blonder Mann vor sie schob. Anna sprach mit ihm, lachte ihr umwerfendes Lachen und folgte dem Mann aus dem Saal hinaus. In der Tür drehte sie sich noch einmal um. Paul schien es, als schaue sie ihm direkt in die Augen. Einen Moment lang setzte sein Herz aus. Dann war Anna fort.

Ende

Fast eine Liebesgeschichte – Teil 27

Teil 1 der Fortsetzungsgeschichte

Es war eine dieser langweiligen Netzwerkveranstaltungen. Wichtig tuende Leute in Businessklamotten, die einander höflich umgarnten, immer darauf bedacht, sich selbst ins bestmögliche Licht zu rücken. Könnte ja sein, dass man hier einen Kontakt knüpfte, aus dem sich später ein großer Auftrag entwickeln würde.
Anna taten die Füße weh. Am liebsten würde sie gehen. Jetzt sofort.
Da sah sie diesen Mann. Mittelgroß. Blond. Mit fröhlichen, blauen Augen.
„Hi“, sagte er. „Langweilen Sie sich auch gerade zu Tode?“
„Allerdings!“
„Wollen wir einfach zusammen abhauen und irgendwo was trinken gehen?“
Seine freche, direkte Art nahm sie gefangen.
„Ja“, sagte Anna Winterberg, „sehr gern.“
Im Hinausgehen warf sie einen flüchtigen Blick auf die Stehtische, an denen in Grüppchen all die wichtig aussehenden Leute standen. Eine Sekunde lang glaubte sie, zwischen ihnen einen sehr großen, dunkelhaarigen Mann zu sehen, dessen braune Augen sie gefangen nahmen.
Sie hatte seit über einem Jahr nichts mehr von ihm gehört, aber es tat immer noch weh, wenn sie an Paul dachte. Paul Stiller, den ungewöhnlichsten Mann, der jemals ihr Herz erobert hatte und den sie ihr Leben lang nicht vergessen würde. Doch Paul hatte sich nie wieder gemeldet. Er war weitergegangen und dachte vermutlich schon lange nicht mehr an sie.
Zögernd folgte Anna dem blonden Mann zur Tür. Die Fröhlichkeit, die sie eben noch verspürt hatte, war verflogen.

Teil 28

Fast eine Liebesgeschichte – Teil 26

Teil 1 der Fortsetzungsgeschichte

Sie wäre gern wieder auf ihn zugegangen, hätte ihm gesagt, dass er für sie der wichtigste Mensch in ihrem Leben geworden war. Aber Anna fehlten die passenden Worte. Ich bin Kommunikationstrainerin, dachte sie verzweifelt, ich muss doch wissen, was zu tun ist. Doch da war nur eine riesengroße Leere in ihrem Kopf.

Fortsetzung folgt …

Fast eine Liebesgeschichte – Teil 25

Teil 1 der Fortsetzungsgeschichte

Sie fehlte ihm, verdammt noch mal, und wie sie ihm fehlte! Aber er hielt seine Gefühle nicht aus. Und ihre auch nicht. Ich bin Business-Coach, dachte er wütend, ich muss doch wissen, wie man mit so was umgeht. Warum kann ich allen Leuten helfen, nur mir selbst nicht?

Fortsetzung folgt …

Fast eine Liebesgeschichte – Teil 24

Teil 1

Paul. Paul. Paul. Es war wie ein Fluch. Sie dachte tagsüber ständig an ihn und träumte nachts von ihm. Paul besetzte sie. Aber das wollte sie nicht. Sie wollte frei sein und nicht an einer sinnlosen Liebe festhalten. Liebe? Ja, dachte sie bestürzt, sie hatte sich in Paul verliebt. Irgendwann während ihrer vielen Telefonate. Oder doch schon viel früher, als so viel Leidenschaft zwischen ihnen war? Sie wusste es nicht genau, aber es war auch egal. Paul wollte sie nicht mehr. Da blieb ihr nichts anderes übrig, als ihn zu vergessen.

Fortsetzung folgt …

Fast eine Liebesgeschichte – Teil 23

Teil 1 der Fortsetzungsgeschichte

Er hatte so großes Verlangen nach ihr. Aber er brachte es nicht fertig, ihr zu sagen, dass er sie vermisste, sie begehrte, sie liebte. Ja, genau, er liebte sie. Immer noch. Oder immer wieder. Das wusste er nicht so genau, aber es war auch egal. Zwischendrin dachte er, Anna würde ähnlich empfinden. Sie klang so warm und schien ihm so nah. Doch in letzter Zeit war sie am Telefon oft derart reserviert, dass er irgendwann nicht mehr wagte, sie wieder anzurufen. Er fürchtete sich vor Annas erneuten Zurückweisungen. Und gleichzeitig fürchtete er sich vor ihrer Leidenschaft, ihrer Nähe, der Intensität, die zwischen ihnen war.

Teil 24

Fast eine Liebesgeschichte – Teil 22

Teil 1 der Fortsetzungsgeschichte

Anna fühlte sich gedemütigt. Paul rief ständig an. Aber er wollte nur reden. Keine Verabredung. Kein Sex. Sie war bloß noch die Kummerkastentante. Paul begehrte sie nicht mehr. Geschweige denn, dass er mehr von ihr wollte. Da hatte sie sich offenbar gründlich getäuscht.
Vermutlich amüsierte Paul sich gerade jetzt mit irgend so einer gertenschlanken, langbeinigen Blondine. Dagegen hatte sie kleines Pummelchen natürlich keine Chance.
Paul war ein freier Mann, dachte sie bitter, und da waren diese ganzen Barbiepuppen nun mal aufregender als sie, Anna Winterberg. Tief gekränkt zog sie sich zurück.

Teil 23

Geschichten entwickeln mit Moderationskarten

Seit geraumer Zeit brüte ich über einer neuen Romanidee. Aber ich kam ewig nicht voran. Mein Problem: Ich hatte zu viele Geschichten im Kopf, die ich alle unter einen Hut bringen wollte. Die Anzahl von Personen und Erzählsträngen wurde immer größer und unübersichtlicher. Schließlich hatte ich einen regelrechten Knoten im Gehirn. Eine Million Informationen hatten sich so ineinander verkeilt, dass ich überhaupt nicht mehr durchblickte. Und obwohl ich viele gute Einfälle hatte, schien es, als könnte daraus nie eine brauchbare Geschichte werden. Frustriert schob ich das Projekt immer wieder zur Seite und widmete mich anderen Arbeiten.

Aber dann besann ich mich darauf, was ich im Coaching mache, wenn ein Kunde mit seinen Themen feststeckt: Ich lege mit ihm zusammen die Karten. Ja, ihr habt richtig gelesen. Das ist aber überhaupt nicht spirituell oder esoterisch gemeint. Vielmehr geht es um Moderationskarten, die in verschiedenen Formen und Farben erhältlich sind. Ersatzweise tun es aber auch Karteikarten oder einfaches Papier, das man sich zurechtschneidet.

Diese Karten beschriften wir und breiten sie auf dem Fußboden aus. Von oben hat man einen besseren Überblick und kann sich bei Bedarf auch um die Karten herumbewegen oder sogar darauf stellen. Außerdem hilft Bewegung super, um kreative Prozesse in Gang zu bringen. Da reichen manchmal schon ein paar Schritte durchs Wohnzimmer. Nun schieben wir die Karten hin und her und ordnen sie dem Thema entsprechend einander zu. Es ist erstaunlich, wie schnell man plötzlich erkennt, wo es klemmt und was man tun muss, damit sich alles gut fügt.

So, und genau diese Technik wandte ich nun für meinen Plot an. Zuerst habe ich die Namen aller wichtigen Figuren aufgeschrieben (was hier beispielhaft » 1« heißt, erhielt bei mir einen richtigen Namen). Dann habe ich die Figuren in Beziehung zueinander gesetzt. Auf anderen Karten schrieb ich, soweit schon vorhanden, Themen und Handlungsstränge auf. Nun ordnete ich diese Karten alle den Figuren zu. Wichtig dabei: Je konkreter man wird, desto besser. Wenn man also einen dramatischen Todesfall plant, sollte man das auch schreiben und es nicht bei einem schwammigen »schreckliches Unglück« belassen.

Es war verblüffend. Innerhalb weniger Minuten wurde mir etwas klar, das ich zwar schon die ganze Zeit geahnt, aber bislang nie wirklich beachtet hatte: Im Grunde hatte ich zwei Geschichten miteinander verwoben. Die Figuren A-D bilden eine Geschichte, die Figuren 1-3 eine andere. Ich hatte krampfhaft versucht, all diese Figuren unter einen Hut zu bringen. Was für ein Unsinn das war, wurde mir erst beim Anordnen der Karten bewusst.

Anschließend ging vieles fast von selbst. Handlungsabläufe, Krisen, Entwicklungen – alles war auf einmal da. Da  ich die Hälfte der Informationen, die mein Gehirn verstopft hatten, zur Seite schieben konnte, hatte ich auf einmal viel Raum zum Nachdenken. Und schon sah alles erheblich übersichtlicher aus. Plötzlich sprudelten die Ideen nur so aus mir heraus und innerhalb einer halben Stunde hatte ich einen groben Rahmen für den Plot abgesteckt.

Und nun schaffte ich es endlich auch, klare Entscheidungen zu treffen und fand sogar Wege, wie ich beide Geschichten an einigen losen Enden miteinander verknüpfen kann. Ob das wirklich klug und sinnvoll ist, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Aber erst mal lasse ich diese abenteuerlichen Ideen zu, um meine Kreativität weiter anzukurbeln. Bei solchen kreativen Prozessen ist es wichtig, sich nicht selbst zu zensieren. Aussortieren kann man später immer noch in aller Ruhe.

Probiert es doch selbst mal aus. Die Arbeit mit Moderationskarten eignet sich besonders

  • beim Entwickeln von Geschichten
  • beim Strukturieren einer Romanhandlung
  • um Beziehungen zwischen Figuren zu verdeutlichen
  • beim Entwickeln einzelner Szenen
  • um Spannungsbögen herauszuarbeiten

Wie Ihr die Karten anordnet, bleibt Euch überlassen, da gibt es überhaupt keine Regeln. Hilfreich ist es allerdings, bestimmte Themen in Form und/oder Farbe einheitlich zu halten. Ich habe zum Beispiel  für alle weiblichen Figuren runde rote Karten gewählt und für alle männlichen runde gelbe. Das half mir, den Überblick zu behalten und bestimmte Konstellationen sehr schnell zu erkennen.

Und noch ein Tipp: Macht von Eurem Kartenbild in den unterschiedlichsten Phasen Fotos, damit Ihr auch Zwischenschritte dokumentiert. Manchmal stellt sich im Nachhinein nämlich heraus, dass eine zwischenzeitliche Idee sinnvoller war als das vermeintliche Endergebnis.

Fast eine Liebesgeschichte – Teil 21

Teil 1 der Fortsetzungsgeschichte

Anna. Sie nahm mehr Raum in seinen Gedanken ein, als ihm lieb war. Sie war die ungewöhnlichste Frau, die ihm jemals begegnet war. Nie zuvor hatte er sich einer Frau so weit geöffnet wie ihr, sich so verletzlich gemacht. Sie war so klug, verständig und geduldig. Sie bedrängte ihn nicht, ließ ihm alle Zeit, die er brauchte.
Aber statt sich zu entspannen, geriet er immer mehr durcheinander. Voller Entsetzen dachte er daran, wie sie seine Gefühle zurückgewiesen hatte, damals, vor anderthalb Jahren, als er ihr gestanden hatte, dass er verliebt in sie war. Jetzt machte er sich schon wieder angreifbar. Panik stieg in ihm auf.
Er konnte mit jeder Frau ins Bett gehen, nur mit Anna nicht mehr. Er fürchtete, dass er sie nie mehr loslassen könnte, wenn er sie jemals wieder in die Arme nehmen würde. Bei dieser Vorstellung nahm seine Panik gigantische Formen an.

Fortsetzung folgt …

Fast eine Liebesgeschichte -Teil 20

Teil 1 der Fortsetzungsgeschichte

Ihre Sehnsucht wuchs von Tag zu Tag, von Telefonat zu Telefonat. Sie wollte Paul wiedersehen, wollte mit ihm wilden, atemberaubenden Sex haben. Und sie wollte ihm in die Augen schauen, wenn sie miteinander sprachen, seine Hände halten, sein Lachen sehen und diesen Ausdruck in seinem Gesicht, wenn er nachdachte und dabei die Stirn runzelte.
Aber Paul sprach nie von einem Treffen. Offenbar war er noch nicht so weit. Anna wagte nicht, selber eine Verabredung vorzuschlagen. Sie wollte sich nicht lächerlich machen mit ihrem Begehren.

Teil 21